Das ist einer der traurigsten und zugleich schwierigsten Berichte auf dieser Homepage.

Immer wieder melden sich Menschen in Foren oder hier bei mir weil Flaschenaufzuchten nicht zunehmen, apathisch sind oder einfach nicht mehr trinken, ein Zustand der ziemlich lebensbedrohlich für diese Tiere ist.

Ich werde hier explizit keine Dosierung erwähnen, nur das Medikament und Berichten was ich tue wenn solche Fälle eintreten und warum.

Ich spreche hier explizit von Mutterlosen Würfen/Einzeltieren, wenn eine Mama dabei ist probiere ich es immer erst mit zufüttern und immer wieder andocken an die Milchbar. Aber auch wenn es dort gar nicht mehr weiter geht (Milchleiste schwillt ab, die Mama wendet sich ab oder ignoriert das Kitten beständig) schwenke ich auf eine reine Handaufzucht um und dann passt der Text wieder.

Vornweg der Satz der in diesen Berichten immer wieder auftaucht "Ein Kitten muss! zunehmen und trinken", wenn es das aus irgend einem Grund nicht macht hat man wirklich ein Problem.

Wenn man als Neuling gerade draußen ein kleines Wesen gefunden hat sind die ersten Fütterungen meist sehr beschwerlich, es dauert bis man den Rythmus gefunden hat und bis das Mäusle die Flasche annimmt, danach muss das Gewicht bestetig nach oben klettern.

Ein Stillstand oder nur eine geringe Zunahme über ein paar Tage sollte man beobachten aber genauso wie Menschenbabys wachsen und gedeihen Kitten in Schüben, eventuell wächst es gerade ziemlich, kriegt Zähnchen und der Hunger ist geschmählert. Häufig ist auch ein kleiner Stop zu merken wenn die Bande von Flasche auf festes Futter umgestellt wird, der ganze Magen-Darm Trakt muss sich umstellen und die Tiere sind häufig schlapper und nehmen in der Zeit nicht ganz so gut zu oder fast nichts.

Der Hauptpunkt bei dem alle Alarmglocken knallrot und Sirenen laut schrillen ist wenn ein Mäusle abnimmt. Das kann man am besten an einem Beispiel zeigen:

19.07: 22 Uhr 100 gr

20.07: 6 Uhr 110 gr

14 Uhr 115 gr (Kotabsatz)

22 Uhr 118 gr

21.07: 6 Uhr 115 gr 

14 Uhr 110 gr

Erst geht das Gewicht wie im Lehrbuch nach oben und dann, meist ohne Vorankündigung wird die Trinkmenge weniger, das Mäusle wirkt schlapper/apathisch und die Abnahme beginnt. Hier ist höchste Eisenbahn geboten, in diesem Falll fahre ich sofort zum Tierarzt und lasse chloramphenicol palmitat (abgekürzt weiterhin nur "Chloro") geben. Ganz wichtig ist sofort! zu fahren, jedes zögern verringert die Überlebenschance dieses Kittens.

Chloro ist ein sehr hartes und sehr umstrittenes Breitband-Antibiotikum (Abkürzung: AB) (unter anderem weil es die Blut-Hirn-Schranke passieren kann (Erklärung was das ist ist -->hier zu finden)), vornweg sei gesagt das ich auch kein Fan bin sofort bei kleinen Sachen ein AB zu geben, jedoch zeigt sich in der alltäglichen Erfahrung das es einfach keine andere Möglichkeiten gibt.

Die Diagnosemöglichkeiten bei einem Lebendgewicht von teilweise 60-300/400 gr  sind verschwindend gering, es kann kein Blut abgenommen werden und die Tiere verlieren sehr schnell sehr viel Gewicht (man bedenke wieviel 10 gr Abnahme prozentual bei einem Gewicht von 100 gr ausmachen!) und werden sehr schnell sehr schwach.

In diesem Fall hilft es nur "mit Kanonen auf Spatzen" zu schießen, leider weigern sich viele Tierärzte dieses Mittel einzusetzen weil sie Angst haben vor möglichen Spätfolgen (unter anderem Leberschäden, Nierenschäden oder Knorpelschäden). Hier muss man ganz klar argumentieren das man hier abwägt zwischen möglichen Spätfolgen und dem Tod des Kittens. Viele Tierärzte probieren erst mit Elektrolyten und Nährstoffen die Tiere aufzupäppeln und wieder zu "aktivieren", leider ist das meist nur ein kleiner "Frischekick" und die Tiere fallen noch stärker zurück.

Das andere Problem ist das man hier nur ein Symptom behandelt (abgeschlagenes, geschwächtes Verhalten) und nicht die Ursache. Mit einem Breitband AB werden viele mögliche Ursachen (Lungenentzündung, andere mögliche Infekte etc.) abgedeckt und gleichzeitig probiert diese Ursache auch zu mildern/zu heilen. Viele Tierärzte probieren auch erst ein schwächeres Antibiotikum wie Amoxicillin, dies reicht leider in seiner eingeschränkteren Wirkweise und weil es einfach schwächer ist häufig in den Fällen nicht aus.

Ein Fall der gerade vor kurzem an mich herangetragen worden ist zeigt auf wie wichtig es ist schnell (so schnell wie nur mögich) zu handeln. Das Kitten war mit einem Startgewicht von 102 gr ganz im Rahmen, nach 36 Stunden hatte es minimal zugenommen und fing dann um 4 Uhr nachts an schwächer zu werden, weniger zu trinken und abzunehmen. Um 11 Uhr bekam es beim Tierarzt ein Depot gespritzt und um ca. 12.45 Uhr (als die Finder erneut aufbrachen weil nach einem kurzen erholen das Tier nun massiv abbaute) musste es leider eingeschläfert werden bzw. lag bereits im Sterben.

Diese Geschichte soll keine Angst machen sondern beschreiben wie schnell es wirklich gehen kann, ich kenne Pflegestellen die innerhalb weniger Stunden ganze Würfe haben Sterben sehen.

Sollte ein Tierarzt zweifeln und Angst haben vor möglichen Folgen kann ich nur vehement aus der Erfahrung von mir und anderen sprechen das man die Zweifel über Bord werfen sollte und es einfach probieren muss, die Erfolge die ich und andere haben sprechen dafür. Chloro kann nur von einem Arzt  gegeben werden und sollte auch nur in Absprache mit diesem erfolgen. 

Handelt man nicht oder nur mit weniger harten Mitteln tritt eigentlich immer der Tod ein und ich habe die letzten 4 Jahre selber gut 20 Kitten großgezogen ( die leichtesten wogen 120 gr und gestorben ist nur eins mit 11 Wochen an einem anderen Infekt) und über 20 Fälle betreut  und weitaus mehr Leute beraten sowie engen Kontakt zu Züchtern und Flaschenaufzuchtspflegestellen mit langjähriger Erfahrung.